Mittwoch, 5. Januar 2011

Carla Bruni

Frau H. hatte raue Hände, faltig, mit langen Fingern, die vom Rauchen ganz gelb waren (nach dem Korrigieren der Klausuren war mein Heft derart mit Rauch getränkt, dass einem Wochen später Zigarettendunst entgegenstieg, wenn man es aufschlug), und Fingernägeln, mit denen sie Augen auskratzte. So stellte ich mir das wenigstens vor. Sie unterrichtete uns in Mathematik und Politik und wir hatten höllische Angst vor ihr. In einem Moment schrie sie uns mit ihrer Reibeisenstimme an, im nächsten setzte sie ihr freundlichstes Lächeln auf. M. nannte sie heimlich Satan, aber ich vergötterte sie. Für die Autorität, die sie ausstrahlte, für die Reibeisenstimme und für ihre seltsame Art von Weiblichkeit. Sie war weder schön noch zierlich, doch sie übte eine unglaubliche Anziehung auf mich aus.

Einmal – und ich weiß wirklich nicht mehr, wie wir darauf kamen – wurden die Nacktfotos Carla Brunis, die derzeit kursierten, zum Thema des Politikunterrichts. Als Frau H. der Diskussionen der Schüler überdrüssig wurde beendete sie das Thema so:

„Ich weiß nun wirklich nicht, was sich alle so über die Nacktfotos der Gattin des französischen Staatspräsidenten aufregen! Wenn die Gute so vor meiner Tür stünde, sagte ich sicher nicht nein. Nur hat sie nichts in meinem Unterricht zu suchen!“

Mein Freund kam nach dem Unterricht zu mir und meinte, dass uns jemand mit solchen Neigungen nicht unterrichten dürfe. Das war der Moment, in dem ich mich von ihm trennte.


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